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Der Ausbau der Windkraft auf Basis des novellierten Bundesnaturschutzgesetzes braucht klare fachliche Leitplanken

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19.10.2022 - Bei der regenerativen Energiegewinnung kommt insbesondere der Windkraft eine wichtige Rolle zu. Ziel ist es, die CO2-Reduktionsziele des Pariser Klima-Abkommens einzuhalten, ohne dabei die internationalen Ziele des Artenschutzes zu gefährden. Um eine effiziente, nachhaltige und naturverträgliche Umsetzung der Windkraftausbauziele auf nationaler Ebene zu gewährleisten, sind politische Rahmenbedingungen nötig, die die Einhaltung des europäischen Gesetzrahmens, insbesondere der NATURA-2000-Vorgaben, auf allen behördlichen Ebenen sicherstellen. 

Was ist neu im Bundesnaturschutzgesetz?

Am 7. Juli 2022 sind im Rahmen der Verabschiedung des sogenannten Osterpakets durch den Bundestag Änderungen des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) beschlossen worden. Zu begrüßen ist, dass die Bundesländer zukünftig ca. zwei Prozent ihrer Landesfläche für die Windenergie bereitstellen müssen. Für den naturverträglichen Ausbau der Windenergie ist auch die Standardisierung der Genehmigungsverfahren grundsätzlich sinnvoll. 

 

In der Zielbeschreibung des neuen BNatSchG heißt es: „Neben der Klimakrise ist die Biodiversitätskrise die zweite globale ökologische Krise“. Dieser Erkenntnis wird das neue Gesetz aus Sicht des Naturschutzes aber nicht gerecht. Die Gesetzesänderungen führen aus Sicht des DRV besonders wegen bestehender Rechtsunsicherheiten und fachlicher Schwächen zwar zu einer Schwächung des Naturschutzes, nicht jedoch zur vorgesehenen Beschleunigung des Ausbaus. Damit ist keiner Seite gedient! So sind als windkraftsensibel mindestens die im “Helgoländer Papier“ der staatlichen Vogelschutzwarten gelisteten Vogelarten anzusehen. Das Papier ist aus Sicht der Fachverbände und -behörden die bestbegründete fachwissenschaftliche Grundlage für die Bewertung von Beeinträchtigungen bei Vogelarten, und alle einschlägigen Vorgaben der Bundesländer fußen darauf. Es liegt kein fachlicher Gegenvorschlag als Begründung für die massiven Änderungen vor. Trotzdem wurde die Liste wurde im BNatSchG nun auf 15 Arten eingedampft. 

 

Für die 15 auf der Liste verbliebenen Arten wurden bestimmte Bereiche um den Horst als besonders geschützt festgelegt, die aber ebenfalls ohne Begründung deutlich geringer ausfallen als die fachlichen Empfehlungen des Helgoländer Papiers. Eine dritte Abstandskategorie ist aus fachlicher Sicht eher verwirrend, dürfte Ansatzpunkte für künftige Klagen bieten und ist spätestens dann nicht mehr verfahrensbeschleunigend. Bei der Betrachtung der Windkraftsensibilität wurde offensichtlich nur das Kollisionsrisiko berücksichtigt. Lebensraumzerstörungen bzw. Störungen bei Bau und Betrieb oder die Verschlechterung der Habitateignung sind nicht in die Bewertung eingeflossen. Und in fachjuristischen Kreisen verbleiben erhebliche Zweifel, dass die neuen Bestimmungen des BNatSchG das europaweit geltende individuelle Artenschutzrecht korrekt umsetzen. 

Artenschutzrecht nicht schwächen!

Der DRV lehnt eine Aufweichung des geltenden europäischen und nationalen Artenschutzrechts zugunsten eines schnelleren Ausbaus der Windenergie ebenso strikt ab, wie eine Einschränkung der Beteiligungsmöglichkeiten von Verbänden in den Genehmigungsverfahren. Änderungen des EU-Rechts hätten drastische und zum Teil schwer vorhersehbare negative Auswirkungen auf viele andere Aspekte des Artenschutzes. Stattdessen muss und kann eine Lösung des Konfliktes zwischen Artenschutz und Windenergieausbau innerhalb des geltenden Artenschutzrechts gefunden werden.


Die kollisionsbedingte Mortalität von einigen langlebigen Vogel- und Fledermausarten hat aus populationsbiologischer Sicht in einigen deutschen Regionen bereits ein kritisches Ausmaß erreicht, denn diese Arten weisen meist geringe Reproduktionsraten auf. Beim Ausbau der regenerativen Energien fordert der DRV deshalb, dass die Berücksichtigung und der Schutz der windkraftsensiblen Vogel- und Fledermausarten insgesamt eine herausragende Rolle spielen.

Schlüsselfunktion für die Regionalplanung bei der Umsetzung

Wichtigstes Mittel zur Vermeidung negativer Auswirkungen auf windenergiesensible Vogel- und Fledermausarten ist die regionalplanerische Festlegung von Windkraft-Konzentrationsgebieten. Bei deren Abgrenzung sind die Belange des Arten- und Naturschutzes von vornherein prioritär zu berücksichtigen. Alle außerhalb dieser Gebiete liegenden Flächen sind dann grundsätzlich von WKA freizuhalten. Aus Artenschutzsicht ist eine möglichst starke Konzentration von Windrädern an wenigen konfliktarmen Standorten deutlich besser als eine große Streuung kleinerer Windparks oder gar Einzelanlagen. So kann auch der Aspekt des Landschaftsschutzes angemessen berücksichtigt werden. 


Angesichts der z.T. sehr dynamischen Entwicklung bei den Vorkommen windkraftsensibler Vogel- und Fledermausarten müssen ausgewiesene bzw. neu auszuweisende Vorrang- und Vorbehaltsgebiete aktuell abgeprüft und konsequent berücksichtigt werden. In Regionen, für die es keine aktuellen Erkenntnisse (jünger 5 Jahre) über Vorkommen dieser Arten gibt, müssen zügig von den Ländern beauftragte Grunderfassungen vorgenommen werden, um eine verlässliche Planungsgrundlage zur Verfügung stellen und Genehmigungsverfahren beschleunigt abwickeln zu können. Nur bereits vorhandene Daten zur Beurteilung der Standorteignung heranzuziehen, wie derzeit vorgesehen, wird angesichts der vielfach erheblichen Datenlücken der Verantwortung für die betroffenen Arten nicht gerecht. 


Je mehr WKAs es in einer Region gibt, umso mehr sind dort ggf. flächig verbreitete Arten (z.B. Rotmilan) oder Zugrouten durch Summationseffekte der Windkraft, aber auch mit anderen Risikofaktoren betroffen, die in der Regelprüfung nicht berücksichtigt werden. Der DRV fordert deshalb, für die Vorranggebiete eine verpflichtende Prüfung der Summationseffekte einzuführen. Dabei gilt es abzuschätzen, ob die in einem Naturraum errichteten WKAs im Zusammenspiel mit den anderen Nutzungen insgesamt die Populationen der dort vorkommenden windkraftsensiblen Arten beeinträchtigen.

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