Institut für Vogelforschung
Das Institut für Vogelforschung "Vogelwarte Helgoland" (IfV) ist eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung im Geschäftsbereich des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur.
Das IfV betreibt Grundlagenforschung und beschäftigt sich mit den vielfältigen Beziehungen zwischen Vögeln und ihrer belebten und unbelebten Umwelt. Leitthemen der wissenschaftlichen Arbeit sind die Vogelzugforschung und die Biologie der Lebensgeschichte. Das IfV ist zudem die Markierungszentrale für Nordwestdeutschland.

Eine Lachseeschwalbe aus der letzten mitteleuropäischen Population am Neufelderkoog auf Nahrungssuche. Foto: Fred Visscher
Bericht des Instituts für Vogelforschung 2024
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Die Gefährdung der letzten Lachseeschwalbenpopulation Mitteleuropas
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Auch Arten, die global nicht als gefährdet gelten, können lokal stark bedroht sein. Ein Beispiel hierfür ist die Lachseeschwalbe (Gelochelidon nilotica): In Europa ist ihr Brutgebiet stark geschrumpft and in Mitteleuropa existiert lediglich eine einzige verbliebene Brutkolonie im Elbeästuar, wo der Bestand seit den 1940er-Jahren von etwa 500 auf aktuell rund 55 Brutpaare gesunken ist. In Deutschland gilt die Art daher als „vom Aussterben bedroht“. Ein Schutzprojekt sichert seit 2011 die Brutplätze durch Habitatmanagement und Elektrozäune und reduziert mit dem letzten Störungen durch Prädatoren (www.gelochelidon.de). Ergänzend wurden nun weitere Gefährdungsfaktoren untersucht, darunter limitierte Nahrungsverfügbarkeit, Schadstoffbelastung und Verringerung der genetischen Vielfalt.
Anhand von 12 Jahren Beobachtungen des Futtersuch- und Kükenfutterverhaltens konnten wir starke jährliche Schwankungen bei den genutzten Nahrungsquellen feststellen. Wahrscheinlich Aufgrund des breiten Nahrungsspektrums der Lachseeschwalben zeigten sich allerdings keine signifikanten Einflüsse der Nahrungsschwankungen auf den Bruterfolg (Schnelle et al. 2024a). Die Vielfalt der Beutetiere deutete jedoch auf eine potentielle Schadstoffexposition aus mehreren Quellen hin. Quecksilber könnte über aquatische Nahrung aufgenommen werden und konnte tatsächlich in Blutproben von Altvögeln und Küken nachgewiesen werden (Schnelle et al. 2025). Weitere Chemikalien, wie Weichmacher und persistente organische Schadstoffe, wurden ebenfalls in variablen Konzentrationen festgestellt (Schnelle et al. under review). Weitere Studien sollten nun die Auswirkungen der beobachteten Werte auf die Fitness der Vögel analysieren.
Genetische Diversität ist wichtig für die Anpassungsfähigkeit einer Art und ihr Überleben. Isolation und eine kleine Populationsgröße können daher das Bestehen einer Population langfristig gefährden. Zur Analyse der genetischen Situation der Lachseeschwalben im Elbeästuar wurde die mitochondriale Diversität der deutschen Kolonie mit das in zwei größeren Mittelmeerpopulationen verglichen (Schnelle et al. 2024b), sowie das Gesamtgenom von Vögeln dieser aktuellen Populationen und historischer Museumsproben analysiert (Schnelle et al. in prep.). Die Ergebnisse zeigen, dass die aktuelle deutsche Population im europäischen Vergleich, sowie insbesondere auch im Vergleich mit dem historischen Population, eine geringe Diversität und Heterozygosität, sowie einen leicht erhöhten Inzuchtskoeffizienten aufweist – eine mögliche Folge der Isolation und der kleinen Populationsgröße.
Obwohl die Population aktuell stabil erscheint, stellen Schadstoffbelastung und genetische Verarmung langfristige Gefahren dar. Schutzmaßnahmen sollten daher neben Prädationsschutz und Lebensraumerhalt auch die Überwachung der Schadstoffbelastung und mögliche Zuwanderung von Vögeln einschließen.